„Mutter Teresa von Reinickendorf-Ost“ sagt leise Tschüss

Silvia Cetin verlässt nach 25 Jahren das Café am See

Reinickendorf-Ost – Nach einem Vierteljahrhundert voller Hingabe, Mitgefühl und Tatkraft verabschiedet sich eine Institution des Kiezes: Silvia Cetin, in Reinickendorf-Ost liebevoll „Mutter Teresa“ genannt, verlässt das Café am See – exakt 25 Jahre nach dem Tag, an dem sie es eröffnete. „Ich sage schweren Herzens Tschüss“, sagt sie mit Tränen in den Augen.

Was 2000 mit drei Tischen und einem Tresen begann, entwickelte sich dank ihres unermüdlichen Einsatzes zu einem Ort der Begegnung, Wärme und Gemeinschaft. Das Café an der Residenzstraße mit Blick auf den Schäfersee wurde für viele zum zweiten Zuhause – nicht zuletzt wegen Cetins außergewöhnlicher Art, Menschen zu verbinden und ihnen zuzuhören.

Silvia Cetin war weit mehr als eine Gastronomin. Sie initiierte Spendenaktionen, organisierte Feste für Kinder, schuf Raum für ältere Menschen, um der Einsamkeit zu entkommen, und zeigte ein Herz für Tiere. Besonders ihre Aktionen zur Rettung der Schwäne am Schäfersee fanden große Aufmerksamkeit.

Doch auch ihr Mut bleibt in Erinnerung: Als ein Dieb versuchte, sich im Kiosk am Schäfersee zu verstecken, zögerte sie keine Sekunde und sperrte ihn kurzerhand auf der Toilette ein – bis die Polizei eintraf.

Neben ihrem sozialen Engagement brachte sie auch politische Themen ins Gespräch: In ihrem Café fanden regelmäßig Diskussionsveranstaltungen mit prominenten Gästen statt – unter anderem mit dem ehemaligen Bundesinnenminister Thomas de Maizière und CDU-Chef Friedrich Merz. Cetin schuf damit nicht nur Raum für Gemeinschaft, sondern auch für demokratischen Dialog – mitten im Kiez.

Für ihren außergewöhnlichen Einsatz wurde sie 2015 mit der Berliner Ehrennadel ausgezeichnet – eine Ehrung, die sie mit Bescheidenheit, aber sichtbarem Stolz entgegennahm.

Der Weg war jedoch nicht frei von Rückschlägen. 2009 kaufte sie das Grundstück vom Bezirksamt – doch ein folgenschwerer Eintrag ihres damaligen Partners ins Grundbuch führte Jahre später zu juristischen Konflikten. Nach mehreren Zwangsversteigerungen verlor sie das Eigentum und wurde zunächst Pächterin, später sogar nur noch Angestellte im Café, das sie selbst aufgebaut hatte. Diese Entwicklung führte schließlich zu ihrem Entschluss, sich zurückzuziehen.

Der CDU-Politiker Burkard Dregger würdigt sie mit klaren Worten:

„Silvia Cetin ist ein Vorbild für gelebte Nächstenliebe. Sie hat mit ihrer Wärme und ihrem Mut einen Ort geschaffen, der weit über seinen gastronomischen Zweck hinausgewachsen ist.“

Nie ging es ihr um Profit – stets standen die Menschen im Mittelpunkt. Nun endet ein Kapitel, das den Kiez geprägt hat. Das Café wird weiterbestehen, doch ohne die Frau, deren Herz es 25 Jahre lang zum Schlagen brachte.

Auszeichnung für gelebte Nächstenliebe – Silvia Cetin erhält die Berliner Ehrennadel (Foto: Manuela Klein)Auszeichnung für gelebte Nächstenliebe – Silvia Cetin erhält die Berliner Ehrennadel (Foto: Manuela Klein)